Märchen
bergen Schätze
Märchen
sind das spirituelle Erbe unserer Kultur. Heute schlummern sie wie Dornröschen
und warten darauf, von uns wachgeküsst zu werden. Sie schenken uns
einen gläsernen Schlüssel, mit dem wir die geheimsten Türen
des Seelenreichs erschließen können.
Warum
erzählen sich Menschen Geschichten? Um ihre Erlebnisse zu teilen.
Wichtige Erlebnisse und Erfahrungen werden immer wieder erzählt und
weitererzählt. So haben sich über Jahrhunderte bestimmte Themen
herauskristallisiert, die für alle Menschen in allen Zeiten von Bedeutung
sind, nämlich die Probleme der menschlichen Reifung, des Zusammenlebens
und des Lebenswegs.
Erzählt wird, was bei den Zuhörern »gut ankommt«
und es wird so erzählt, wie es am besten ankommt. So haben sich die
Stoffe durch das Erzählen und Weitererzählen immer mehr verdichtet
und den inneren Kern herausgearbeitet. Deshalb vermitteln Märchen
psychische Realitäten in einer unvergleichlich verdichteten Form.
Es
ist ein Jammer, dass Kindern heute kaum noch Märchen vorgelesen werden,
denn Kinder brauchen Märchen für ihre seelische Reifung. Es
wird viel Unfug über Märchen gesprochen, weil die Einsicht in
die Hintergründe und Zusammenhänge fehlt. An dieser Stelle sei
nur auf das Buch von Bruno Bettelheim: »Kinder brauchen Märchen«
(dtv 35028) verwiesen. An anderer Stelle im Zauberwald wird sich sicher
mehr finden lassen.
Es
ist auch schlechter Ersatz, Kindern Märchen-Konserven zu verabreichen,
denn diese sind inszeniert, was immer auch eine Interpretation ist. Dann
wird das Rumpelstielzchen allein deshalb verteufelt, weil es mit einer
hässlichen Stimme spricht. Liest man das Märchen aber genau,
ist Rumpelstielzchen ein so schlechter Bursche nicht. Auch dazu an anderer
Stelle mehr.
Aber
Märchen helfen nicht nur Kindern bei der seelischen Reifung. Auch
Erwachsene können durch Märchen zur Selbsterfahrung und Selbstfindung
gelangen. Märchen werden von erfahrenen Psychologen sogar therapeutisch
eingesetzt. Unter der Überschrift »Märchen-Therapie«
segeln allerdings hier und da (und erst recht im Internet) auch fragwürdige
Angebote. Therapie sollte man nur beim Therapeuten suchen.
Ohne
gleich an Therapie zu denken, kann man im kreativ-spielerischen Umgang
mit Märchen viel über sich selbst erfahren. Hierzu bieten sich
die »Märchen-Karten« an oder die Teilnahme an einem Märchen-Seminar.
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