Rumpelstilzchen: Das Geheimnis wird gelüftet
 
 

Eros

Dieses Märchen zeigt, wie ein Mädchen, eines armen Müllers Tochter, in einer Männerwelt zur Frau, zur Königin, wird. Es wirft also die Frage auf, was eine ›richtige‹ Frau sei. Und das ist eine sehr aktuelle Frage.

Seit mindestens einem Jahrhundert kämpfen Frauen um die Gleichberechtigung. Nach dem Zweiten Weltkrieg markierten die Trümmerfrauen ein neues Selbstbewusstsein. Heute ist allgemein vergessen, dass Frauen in der neuen Adenauer-Republik zunächst nicht einmal Wahlrecht hatten. Später hatten sie dann kein Recht auf freie Berufswahl. Immer mehr Ehefrauen mussten zwar arbeiten gehen, um das Familieneinkommen zu sichern, einige wollten es auch, doch sie durften nur, wenn es ihnen der Ehemann hoheitlich erlaubte.

Mit der 68-er Bewegung wurde auch die Emanzipation der Frau ein öffentliches Thema. Diese neue Frauenbewegung hat inzwischen manche Stadien durchlaufen. Frauen haben vieles ausprobiert, haben das Männliche imitiert, Hosen angezogen, Karrieren gemacht, aber auch das Urweibliche gesucht, Steinkreise und Mondzyklen. Die Frauen haben dabei relativ viel erreicht, nur eines nicht: Sie haben die Expansion des Männermännlichen nicht stoppen können. Warum?

Wir leben in der Welt der Dualität. Darin gibt es viele Aspekte, viele Ebenen der Betrachtung, aber immer gibt es zu Jedem ein konträr Ergänzendes: hell und dunkel, leise und laut, Himmel und Erde, Frau und Mann. Die Frauenbewegung hat in vielen äußeren Bereichen Freiräume für Frauen geschaffen und mehr oder weniger gleiche Rechte erstritten, nicht aber auf der wesentlichen Ebene.

Die eigentliche Ebene von Mann und Frau ist zweifelsfrei energetisch. Zwischen Mann und Frau besteht ein Spannungsfeld, das der Mann sexuell definiert, die Frau aber erotisch. Diese Polarität von Sexus und Eros ist über die (vordergründig) erfolgreiche Frauenbewegung reichlich aus den Augen verloren worden. Die Frauen haben sich von den (hintergründig) immer noch herrschenden Männermännern weiter und weiter sexualisieren lassen, haben sich mit immer raffinierteren Mitteln gemüht, das männliche Stroh durch die Nacht hindurch zu Gold zu verspinnen. Doch der Eros, der allein den Mann erlösen könnte, ist dabei auf der Strecke geblieben. Die Müllerstochter von heute denkt, sie hätte was erreicht, weil sie sich mit ihrem Halsband freigekauft hat, doch tatsächlich hat sie sich an das Männermännliche verkauft, und deshalb betrachtet sie Rumpelstilzchen noch immer als einen bösen Dämon, der ihr nur das Kind wegnehmen will.

Die ›emanzipierte‹ Frau meint, sie hätte etwas gewonnen, wenn sie männliche Posten besetzt. In Wirklichkeit aber verliert sie, wo sie weibliche Posten nicht besetzt.

"Nein, etwas Lebendes ist mir lieber als alle Schätze der Welt." Wäre das nicht ein treffender Slogan für eine wahrhafte Frauen-Bewegung? Die Männerwelt stellt das Gold, die weltlichen Schätze, die es zu erbeuten, auszubeuten gilt, an erste Stelle. Wer dem etwas entgegenhalten will, muss alternative Ziele formulieren, und der Gegensatz zum Gold, so sagt uns Rumpelstilzchen, ist Leben. Geld oder Liebe. Fällt die Wahl wirklich so schwer? Trotzdem wird sie in der Welt der Männermänner immer und immer nur zum Vorteil des Goldes und zum Nachteil des Lebens getroffen. Wenn Frauen wirklich eine Wende wollen, müssen sie sich für das Leben, das wahre, erotische Lieben entscheiden.

Es sind die Frauen, die Mütter, von denen die Kinder erzogen werden, wenn sie denn erzogen werden. Diese soziale Tätigkeit wird heute, in der Männerwelt, so gering geschätzt, wie jede andere soziale Tätigkeit auch. Ansehen genießt nicht, wer das Leben hegt, sondern wer viel Gold scheffelt. Wer die Verhältnisse ändern will, muss die Wertigkeiten wechseln.

Der Müller
Der König
Jungfer Müllerin
Rumpelstilz
Die Hochzeit
Das Versprechen
Das Opfer
Das Schlüsselwort
Erlösung
Eros
Das Ende

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