Rumpelstilzchen: Das Geheimnis wird gelüftet
 
 

Das Ende

Dieses lächerliche Männchen, das es scheinbar nur auf das Kind der Königin abgesehen hat, schlägt alle wohl so sehr in den Bann, dass dieses so tiefgründige Märchen am Ende in emotionaler Verwirrung verschwimmt.

Wer sich mit Märchen beschäftigt hat, weiß, am Ende wird das Böse angemessen deftig bestraft. Und wenn man nun meint, Rumpelstilzchen verkörpere das Böse, muss man auch seine Bestrafung erwarten. Aus dieser Erwartung heraus deuten Interpretationen dieses Märchens das Ende immer wieder als Bestrafung.

Doch von einer Bestrafung ist da keine Rede. Bestrafung meint eine von außen kommende Wiederherstellung der Gerechtigkeit. Es ist nicht selten so im Märchen, dass der Übeltäter auf seltsame Weise das, sein Strafmaß selbst bestimmt, die Bestrafung bleibt aber immer anderen belassen. Es wäre also nur eine Strafe, würde Rumpelstilzchen zerrissen. Doch es zerreißt sich selbst.

Rumpelstilzchen reißt sich selbst in zwei Teile. Das wird von Interpretationen als sein Tod gedeutet wird. Ja, ist Rumpelstilzchen ein lächerliches Männchen, dann bedeutet es sicherlich seinen Tod, entzwei gerissen zu werden. Ist es aber ein Wesen, eine Energie, dann stellt sich die Frage, ob eine Energie sterben kann?

Bliebe zu fragen, was dieser rätselhafte Schluss bedeuten soll. Zunächst ist festzustellen, dass Rumpelstilzchen in der Erstfassung einfach nur zornig davonläuft. Zorn ist mit Dorn verwand. Es läuft dornig, also erregt, aufgeregt, aufgerührt davon.

Erst in der Letztfassung dichtet Wilhelm Grimm, dass Rumpelstilzchen mit dem einen Bein vor Zorn in die Erde stößt und sich dann wütend entzwei reißt. Wut bezieht sich aber auf Wotan, auf die entfesselte, unbändige Energie.

Auf keinen Fall wird Rumpelstilzchen bestraft. Wohl wird das Böse am Ende eines Märchens bestraft, aber es bestraft sich niemals selbst. In diesem Märchen gibt es gar nichts wirklich Böses, nur männliche Dummheit, Borniertheit. Rumpelstilzchen erlöst die Königin und reißt sich dann entzwei, wenn wir der Letztfassung von Wilhelm Grimm folgen wollen.

Darin liegt Botschaft. Die Lebensenergie (Rumpelstilzchen) polarisiert sich in zwei Aspekte, den weiblichen, irdischen, und den männlichen, geistigen. Der irdische Aspekt fährt tief in die Erde hinein und entflammt sie, bringt sie in Bewegung, zum Leben. Der geistige Aspekt aber läuft hinaus in die Welt, um sie zu ordnen.

Es ist Aufgabe von Mann und Frau, diese beiden Zerrissenen als ihre Verkörperung wieder zu verschmelzen, eine Einheit herzustellen, in der beide Aspekte für sich gleichwertig sind, wenn sie auch ganz verschiedene Aufgaben erfüllen. Aus dieser Einheit entspringt Leben, und Leben ist nichts als Liebe. Die Zerrissenen sind Angst und Hoffnung, sie verschmelzen zu nichts als Liebe allein.

Der Müller
Der König
Jungfer Müllerin
Rumpelstilz
Die Hochzeit
Das Versprechen
Das Opfer
Das Schlüsselwort
Erlösung
Eros
Das Ende

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